Die Coach-Rolle im systemischen Kontext 2

von Rainer Molzahn


Die Coach-Rolle im systemischen Kontext 2

Im ersten Teil dieser kurzen Reihe habe ich die systemischen Gegebenheiten untersucht, mit denen ich als Coach zu rechnen habe, wenn ich entweder eine einzelne Person coache, die mein Honorar selbst zahlt, wenn ich – schon komplexer – als externer Dienstleister meine Coachees über eine Organisation bekomme, die meine Rechnungen begleicht, oder wenn ich – noch kompexer – meine Coachees als Mitarbeiter*in eines (z.B.) Beratungsunternehmens bekomme, das seinerseits einen Rahmenvertrag mit den Unternehmen hat, denen meine Coachees angehören.

 

Diesmal möchte ich den Montblanc besteigen: die Arbeit als interner Coach ...


Der Gipfel der systemischen Komplexität ist nämlich erreicht, wenn ich gar nicht in einer selbständigen, externen Rolle als Coach tätig bin, sondern Mitarbeiter*in einer internen Abteilung, zu deren Aufgaben-Portfolio es gehört, Individual-Coachings für Mitarbeiter*innen und/oder Führungskräfte ‚in der Linie‘ (in den unmittelbar produktiven Unternehmensteilen) zur Verfügung zu stellen.

 

Oft ist das die Personalentwicklung, manchmal auch die Führungskräfteentwicklung oder die Trainingsabteilung, seltener die Organisationsentwicklung – aber die Variationen sind groß, abhängig von der jeweiligen Unternehmenskultur, und natürlich immer „historisch gewachsen“, also rein rational nicht erklärbar.

In einem solchen Fall bin ich als interner Coach nicht nur Teil des Abhängigkeits-, Konkurrenz- und Ranggefüges meiner eigenen Abteilung, sondern als Mitglied meiner Abteilung auch Teil des größeren organisationalen Bienenstocks – mit einer Vielzahl von internen und externen Stakeholdern, die unterschiedliche und teils widerstrebende Interessen verfolgen.

 

Mein Coachee und seine Interessen und Bedürfnisse, ich und meine, wir sind nur zwei ganz kleine Rädchen in einem großen Getriebe von unpersönlichen und persönlichen Beziehungen. Die Versuchung, es allen Recht zu machen, alle zufriedenzustellen, alle irgendwie mit irgendetwas zu bedienen, ist quasi in diese Systemkonstruktion eingebaut und sehr groß. So groß wie unmöglich zu verwirklichen.

 

Und dann, um dem Ganzen noch das systemische Sahnehäubchen aufzusetzen, tut es noch einen großen Schritt in Richtung Geisterschloss durch die Flüchtigkeit moderner Organisationsstrukturen, auch Agilität genannt. Alles Mögliche kann ständig passieren. Wer heute mein Coachee ist, ist vielleicht morgen mein Chef, wer heute meine Chefin ist, ist vielleicht morgen die Chefin meines nächsten Coachees, oder umgekehrt, oder …  oder … 

Coaching von Menschen im Kontext moderner Organisationskulturen ist ein Pas de Deux auf einem schwankenden Drahtseil, in zum Teil sehr windiger Höhe. 

 

Zu unser aller Trost: Irgendwann wird es, nachdem es systemisch an Komplexität nicht mehr zu überbieten ist, auch wieder einfacher, weil wirklich niemand mehr durchblickt. Da kann man, da muss man als Person schon wieder frecher werden, weil man sonst nämlich durchdreht. Denn da sind immer noch ich und mein Coachee, in unseren Rollen, aber eben auch als Personen. Da sind die Säulen meiner Rollenethik, da sind meine persönliche Moral und mein Wunsch zu helfen, und da ist jemand, der Hilfe will und braucht.

 

Daraus ergibt sich die Frage: wie gehe ich mit all dem im Kontakt mit meinem Klienten um?

 

Was bedeuten meine und seine oder ihre systemischen Komplexitäten, meine Rolleninteressen und seine oder ihre, selbst wenn sie in ihren Komplexität nicht so teuflisch zugespitzt sind wie oben aufgefächert, für meine Beziehungsaufnahme zu meinem Coachee? Und wie gehe ich ihm oder ihr gegenüber damit um? 

Um es auf den Punkt zu bringen:

Wie balanciere ich, wie jongliere ich in unserem Pas-de-Deux Rolle und Person in meiner Beziehung zum Coachee?

Mehr dazu im 3. Teil ...

Dieser Text ist ein Auszug aus der Buchreihe "Transformatives Coaching und Mentoring".


Person und Rolle im transformativen Coaching

Rainer Molzahn

 

Leiter der Coaching-Ausbildung, Leadership-Coach und Autor

 

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