von Rainer Molzahn
Auch die einfachste systemische Konstellation – ein Coach, ein Coachee – ist nicht so einfach, wie sie scheint: selbst hier gibt es abhängige Dritte und Vierte, die von dem, was im Coaching passiert, betroffen sind und darauf zurückwirken.
Als professionell aufgestellte*r Coach ist es überlebensnotwendig, diese Mindest-Kontextsensitivität aufzuweisen und sie in das eigene Tun einzubeziehen …
Meist sind die systemischen Verhältnisse komplexer als im Szenario 1 Coach/1 Coachee – 1 Dienstleister/1 Kunde ...
Externer Coach für Unternehmen
Wenn ich zum Beispiel als externer Dienstleister eine Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmen habe, das mir immer mal wieder Führungskräfte ‚schickt‘, denen aus irgendwelchen Gründen ein Individual-Coaching nahegelegt wurde (oder denen es aus irgendwelchen Gründen gelang, dem oder der Budget-Verantwortlichen Zeit und Geld dafür aus dem Kreuz zu leiern), sieht das Ganze schon um ein paar Potenzen komplizierter aus.
In dieser Rolle konkurriere ich zum einen ganz direkt mit einer begrenzten Anzahl anderer externer Coaches, die wie ich zu dem Pool von externen Dienstleistern gehören, in dem das Unternehmen einigermaßen regelmäßig fischt. Alle konkurrieren um eine begrenzte Anzahl von Aufträgen bzw. Coachees.
Vielleicht kenne ich meine Mitbewerber, vielleicht auch nicht. Mein Kunde im engsten Sinne – also die unpersönliche Rolle, von der ich am empfindlichsten abhängig bin – ist dann meist eigentlich nicht der oder die Coachee, sondern eben die Stelle, die über das Budget gebietet, das investiert werden muss, um die vereinbarte oder verordnete Verbesserung zu erreichen. Oft ist das natürlich die Personalentwicklung, oder die Führungskräfteentwicklung, oder der oder die hierarchisch Vorgesetzte/n, oder auch direkt der Vorstand oder die Geschäftsleitung. Manchmal werden die relativen, vielseitigen Abhängigkeits- und Rangverhältnisse durch interne, bereichsübergreifende Leistungsverrechnungssysteme im Unternehmen noch komplizierter.
Jedenfalls ergeben sich aus diesen Komplexitäten auch sehr komplex zusammengesetzte Kriterien dafür, ob ich als Coach gute Arbeit mache – viel komplexer als nur das Feedback unseres Coachees.
In letzter Instanz sind das in solchen Settings auf gar nicht so komplexe Art und Weise unsere letztendlichen Kunden: die Anteilseigner des Unternehmens, für das ich arbeite. Alles, was (meist kurzfristig) den Unternehmenswert steigert ist gut, alles was das nicht tut, nicht.
Coach in einem Beratungsunternehmen
Noch um eine Dimension komplizierter wird das systemische Spielfeld, wenn ich nicht als Kleinunternehmer mit anderen selbstständigen Coaches um Klienten aus meinem Kunden-Unternehmen konkurriere, sondern wenn ich meinerseits Mitarbeiter oder Subunternehmer eines Coaching- oder Beratungsunternehmens bin, das mit anderen seiner Art um Aufträge vom Endkunden wetteifert, und über das ich meine Coachees bekomme.
In einem solchen Fall bin ich selbst am akutesten abhängig von meiner eigenen Geschäftsleitung, und die wieder von der Stelle im Kunden-Unternehmen, die über Budgets und Coachees verfügt, und die wiederum von ihren internen Stakeholdern, und die wiederum von der eigenen Geschäftsleitung, und die wiederum …
Und irgendwo mitten in diesem komplizierten Gestrüpp von Abhängigkeiten, Konkurrenzen und Hierarchien treffen sich auch noch jemand, der Hilfe gebrauchen kann, und jemand, der helfen möchte, und für beide ist es am besten, wenn beides möglich ist und geschieht.
Die Frage ist, wie balanciert man das alles und ist wirksam als Coach??
Dieser Text ist ein Auszug aus der Buchreihe "Transformatives Coaching und Mentoring".
Kommentar schreiben