von Steffi Mademann
Letzten Donnerstag beim Treffen unserer Coaching-Community in kleiner Vierer-Runde gab es eine Eincheckrunde. „Wie geht es mir? Wie bin ich heute hier?“
Ich fand für mich auf diese Frage keine klare Antwort an jenem Abend. „Das ist gerade ziemlich bunt.“ manövrierte ich mich um das Chaos in Kopf und Herz.
Ich versuchte es weiter. Wie bin ich gerade?
Ich bin müde. Das war noch recht einfach. Der Tag war lang (sind meine Donnerstage immer) und extrem warm (das ist anstrengend). Eine sinnliche Wahrnehmung im Hier und Jetzt, der ich ziemlich eindeutig eine Bedeutung zuführen kann.
Doch schon die nächsten Wahrnehmungen („froh, hier mit euch zu sein“) wurden überlagert von Gedanken und Erlebnissen der vergangenen Tage, die sich aufdrängten.
Ich bin traurig und nervös. Eine liebe Kollegin ist erst kürzlich nach schwerer Krankheit gestorben und die Beerdigung stand kurz bevor. Hier startete dann auch gleich der Tanz der inneren Stimmen: „Sollte ich angesichts so einer tragischen Situation nicht noch trauriger sein?“ „Gehört das jetzt hierher?“ Und auch wenn das irgendwie egoistisch anmuten mag, das macht auch etwas mit mir und das hat etwas mit mir zu tun, denn ...
Ich habe Angst. Was würde es für meine beiden Kinder bedeuten, wenn ich zu früh diese Welt verließe? Das macht mir, auch jetzt wenn ich es schreibe, einen unsagbar großen Kloß in den Hals, an dem ich fast zu ersticken glaube. Das konnte ich am Donnerstag nicht aussprechen oder gar „richtig“ fühlen. Das tut zu weh. Lieber etwas anderes.
Ich bin stolz auf meine Große. Sie wird am Freitag allein mit dem Zug eine längere Strecke reisen. Sie fühlt sich bereit und ist gut vorbereitet. Ja, das ist leichter. Das kann ich gut teilen. Bleiben wir doch einfach bei diesem Thema. Die Kleine geht allein ins Freibad. Ja, das fühlt sich viel befreiender an. Ein bisschen Sorge, dass es irgendwo klemmen könnte, aber nix Wildes. Das geht schon. Das hält mich in einem arbeitsbereiten Modus.
Während ich das nun alles schreibe, bekommen meine Gedanken eine ganz andere Wendung. Ich wollte über die Vielfalt von Gefühlen schreiben, die gleichzeitig da sein können. Jetzt erkenne ich, es geht vielmehr um das Verdrängen von Gefühlen, insbesondere von diesem doch bedrohlich wirkenden Gefühl der Angst. Ich merke, es geht um innere Stimmen, die mit aller Macht unterstützen, mich doch lieber etwas anderem zuzuwenden, statt es da auszuhalten, wo es so furchtbar weh tut.
Ich verstehe einmal mehr, dass diese Fähigkeit des Verdrängens auch wichtig ist, da wir ja sonst gar nicht in der Lage wären, unsere Arbeit zu machen oder unsere Kinder zu versorgen oder eben zu tun, was zu tun ist.
Und ich spüre eine große Demut gegenüber unserer Coaching-Arbeit, die genau das möglich macht, die Raum und Zuversicht für genau das gibt: Dranbleiben, hinspüren, aushalten, ja sogar größer werden lassen, um dann zu erkennen…
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Haspa Knauser (Sonntag, 03 Juli 2022 20:27)
Einen tief empfundenen Dank für dieses so einfühlsame wie präzise Protokoll deines inneren Dialoges! Beispielhaft!