von Meike Simpson und Steffi Mademann
Wann ist es Zeit, im Coaching den Kanal zu wechseln?
Diese Frage bewegten wir neulich bei unserem monatlichen Community-Verbindungstreffen.
Hieraus ergab sich ein Briefwechsel zwischen uns beiden, Steffi und Meike, den wir gerne mit Euch teilen möchten.
Steffi:
In den meisten Fällen haben im Coaching der Coach und der Coachee einen Lieblingskanal, auf dem sie sich auf Forschungsreise begeben. Ich vermute, dass in den meisten Fällen die Kanal-Wahl zunächst beim Coachee liegt, um dem Coach sein Thema darzulegen. Das dient dem Vertrauensaufbau und soll dem Coachee über die ersten Hürden helfen. Irgendwann ist es jedoch hilfreich für beide, sich dem Thema mal aus einer anderen Richtung, eben über einen anderen Kanal, zu nähern und zum Beispiel aus dem Reich der Sprache in die Körperebene zu wechseln. Dieses „es anders machen“ kann hierbei das ordnende Element sein, dass Bedeutungsgehalte offenlegt oder „die Spreu vom Weizen trennt“. Und obwohl dieser Kanalwechsel so wertvoll ist, scheint es manchmal eine Art Erlaubnis zu brauchen, die dem Coach signalisiert, dass genau jetzt der Moment ist, um den Coachee aus dem Wohlfühlkanal zu dirigieren.
Mir selbst ist dieses Zögern ja sehr vertraut. Ich warte meist recht lange bis ich mir diese Erlaubnis gebe. Peggy beschrieb das in der Ausbildung mal mit folgenden Worten: „…wie eine Katze, die auf der Lauer liegt und auf den richtigen Moment zum Sprung wartet…“. Aber wo finden wir die Hinweise für diesen „richtigen“ Moment? Zweifellos sind es mehrere Signale, wie so oft, und wir finden sie in uns und auch im Außen (ebenfalls wie so oft).
Meike:
Eine Frage, die sich mir stellt, ist, wer eigentlich die Erlaubnis von wem braucht, den Kanal zu wechseln.
Meine Erfahrung ist, dass der oder die Coachee natürlicherweise erst einmal in ihrem/seinem Lieblings-/Gewohnheitskanal funkt und sich dessen überhaupt nicht oder nur sehr vage bewusst ist. Und wenn wir beide auch noch den gleichen haben, ist das ja auch irgendwie schön. Das Terrain ist bekannt, vertraut, erprobt, ungefährlich.
Und das lullt Coachee und Coach manchmal vielleicht auch ein. Wenn ich also merke, dass mein*e Coachee immer die gleiche Geschichte erzählt und nur Protagonist*innen und Bühnen wechseln, der Inhalt, die Dynamik, Anfang und Ende aber bleiben gleich, dann ist es vielleicht mal gut, den Kanal zu wechseln – raus aus der Sprache, rein in den Körper wäre da eine Möglichkeit.
Meine Coachee spricht also beispielsweise davon, wie schwer sie sich tut, anderen gegenüber klar ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Hierfür hat sie endlos viele Beispiele aus dem beruflichen und privaten Kontext. Auf meine Frage, was sie denn befürchte, das passieren könnte, wenn sie ihre Bedürfnisse äußere, zuckt sie die Achseln und sagt so etwas wie: „Das war schon immer so. Konnte ich noch nie gut.“ Und erzählt weiter ihre Geschichten.
Okay, denke ich, hier ist eine Grenze. Ich gleiche ab, ob ich diese Grenze auch habe, denn dann wird es anspruchsvoller für mich, meine Coachee über diese Grenze hinweg zu begleiten. Weil ich vielleicht auch Schiss vor dem habe, was dahinter sein könnte. Denn zurück geht nicht, wenn man einmal da ist. Ist dann eben so. Gut ist im Coaching: Die Coachee ist ja nicht alleine da.
Und auch wenn ich weiß oder ahne, dass ein Kanalwechsel jetzt gut wäre, damit mein*e Coachee weiterkommen kann, ist das für mich leichter gesagt als getan.
Warum? Hmmm…manchmal ist es die Grenze, die mich schreckt. Weil sie auch meine ist. Oder dass irgendwas schlimm für die/den Coachee wird und ich das nicht gut halten kann. Oder, der Supergau: mein*e Coachee guckt mich an und sagt: „Echt jetzt, was soll das denn?“ Oder: „Nee, das ist nichts für mich. Nett gemeint.“ Bumm! Versagt. Inkompetent. Unzureichend. Klein. Tschüss.
Steffi:
Lass mich raten, liebe Meike, das ist dir so noch nie wirklich passiert. Oder?! Schließlich nehmen wir den Coachee ja auch wahr und merken in der Regel recht schnell, wenn ein Kanalwechsel doch nicht zielführend ist oder die gewünschte Irritation in massive Abwehr umschlägt. Was im Grunde genommen doch auch „nur“ ein Grenzsignal ist. Bleibt dann am Ende die Angst davor übrig, den Coachee zu verlieren?
Führt das im blödesten Fall dazu, die Grenze selbst nicht gut halten zu können? Was wiederum bedeuten würde, dass es für den Coachee ratsam ist, davonzulaufen, schließlich darf er / sie ja von uns erwarten, dass wir ihm/ihr an der Grenze zur Seite stehen. Heißt das im Umkehrschluss, wir sind für den Coachee noch hilfreicher je mutiger und „rotziger“ wir sind – dem Prozess vertrauen? Wenn das keine Einladung ist?
Meike:
Doch, ist mir genauso passiert, Steffi. Die Beziehung zwischen mir und meinem Coachee stimmte nicht. Der Auftrag war nicht richtig geklärt. Ich hab etwas gesehen, was mein Coachee noch nicht gesehen hat. Wollte ihm über eine Grenze helfen, über die er noch nicht gehen konnte. Ich war zu ungeduldig und wollte es unbedingt gut machen. Und das hat uns beide dann verschreckt.
Ich finde, Grenzarbeit ist eben auch Arbeit mit Tabus: Man fragt im echten Leben nicht indiskret nach, wie und wo sich etwas anfühlt, wenn der andere sagt, dass er nicht darüber reden will. Als Coach habe ich aber genau das gemacht. Ich hab das dann thematisiert, das hat aber zunächst auch nicht geklappt; der Coachee hat dicht gemacht und meinte: Ich glaube nicht, dass Coaching das Richtige für mich ist.
Ich glaube tatsächlich, dass der von Dir angesprochene Mut eine Eigenschaft sein kann, die Coach und Coachee gleichermaßen dazu befähigt, einen Kanalwechsel zu schaffen. Oder – ich spule nochmal ein Stückchen zurück – eher ein Gefühl, eine Intuition, wenn ich mit dem/der Coachee arbeite. Ich spüre die Grenze, merke, wie der/die Coachee nicht weiterkommt und ausweicht. Und dann versuche ich den Kanalwechsel und merke, wie das Thema, die Geschichte, das Gefühl tiefer empfunden, exploriert und vielleicht sogar verstanden wird.
Klappt das nicht, wie bei mir, und der Coachee blockt ab, gebe ich ihm Zeit – das, finde ich, können wir als Coaches immer tun: Dem Coachee Zeit geben und somit die Möglichkeit, dass sich das Thema und die Gedanken und Empfindungen in dem Kanal, auf den wir wechseln wollten, langsam entfalten und wirken können. Das Unterbewusstsein arbeitet immer weiter, und darauf kann ich mich als Coach verlassen. Ja, vielleicht dauert das etwas und beide müssen Geduld aufbringen.
Wenn aber der/die Coachee dann in ein paar Wochen zum nächsten Coachingtermin kommt, wage ich eben einen neuen Versuch, den Kanal zu wechseln, wenn es sich richtig anfühlt und hilfreich sein könnte.
Bei meinem Coachee hat das ganz gut geklappt. Er kam jedenfalls wieder und meinte, das Coaching habe ordentlich nachgewirkt, und er wolle doch weitermachen. Den Kanalwechsel hat er erst viel später geschafft.
Wie ist das bei Dir? Wie wechselst Du den Kanal? Und gibt es für Dich Signale, wann es gut sein könnte?
Steffi:
Was den Zeitpunkt angeht, wird der Wechsel zum Hinweis bei mir sehr laut, wenn ich (wie du das auch schon beschrieben hast) merke, dass wir um ein Thema kreisen, uns aber nicht nähern. Wenn ich dann das Gefühl kriege, so kommen wir nicht weiter, lass uns mal was anderes probieren. Und probieren trifft das ziemlich genau, denn einen guten Zugang zu finden, ist manchmal auch mit Ausprobieren und wieder Verwerfen und etwas anderes probieren verbunden. Manche Menschen haben nicht so einen sicheren Zugang zu ihren Körpersignalen und können mit „Wo in dir spürst du das?“ eben nichts anfangen. Dann kann vielleicht „Welches Lied spiegelt das wider?“ hilfreich sein oder „Gibt es eine Farbe, die das für dich zum Ausdruck bringt?“ oder „Welche Bewegung will da gerade sein?“. Impulskarten finde ich auch immer wieder recht hilfreich. Die Idee, Themen zu bauen, die uns Kathrin mal vorgestellt hatte, finde ich auch nach wie vor genial. Ich kann mich auch an ein Coaching erinnern, bei dem die Coachee aus ihrem Thema eine Geschichte / ein Märchen entwickelt hat. Der kleine Umweg über die Hauptfigur zu ihr selbst, fiel ihr dann leichter.
Und während ich hier schreibe, merke ich, dass dieser Schritt ins Innere für die meisten Coachees schwierig zu sein scheint (Das haben wir verlernt?), dass der Schritt aber leichter wird je öfter man ihn macht. Oder? Dann wäre es in hartnäckigen Fällen vielleicht hilfreich das zunächst bei vermeintlich leichteren Themen mit dem Coachee zu üben. Was denkst du?
Meike:
Du beschreibst das so gut, Steffi. Ja, den Gedanken, dass meine Coachees verlernt haben, in ihr Inneres zu schauen, habe ich auch schon oft gehabt.
Im Coaching lerne ich meine*n Coachee ja ziemlich gut kennen. Und sobald ein besonderes Faible, ein Talent oder eine Begabung offenbar wird, kann man die ja einbinden. Also: „Zeichne Dein inneres Team so, wie es jetzt aktuell gerade aussieht.“ Dann können Coachee und ich schauen: wie sehen die aus? Was haben die an? Welchen Gesichtsausdruck, welche Körpersprache gibt es zu sehen? Welche Gemeinsamkeiten, welche Unterschiede?
Mit meinem Coachee habe ich einmal ein Rollenspiel gemacht. Das heißt, er beschrieb mir eine Situation, in der er immer wieder mit seinem Mitarbeiter feststeckt, und ich schlüpfte in die Rolle des Mitarbeiters. Der Coachee blieb er selbst. Dann haben wir die Situation hergestellt, uns hineingefühlt und der Coachee hat das Gespräch mit mir begonnen. Ich habe ihm sehr schnell eine Rückmeldung über meine Gedanken und Gefühle als sein Mitarbeiter geben können. Über seine Wirkung auf mich. Das war, in aller Bescheidenheit, wie ein Wunder. Ich fühlte mich klein in der Rolle des Mitarbeiters, angeklagt, unverstanden, nicht gewollt, inkompetent, verzweifelt. All das meldete ich zurück. Mein Coachee war wie vom Donner gerührt; er dachte, er sei voll souverän, zugewandt, zwar bestimmt, aber dabei wertschätzend. Eben eine gute Führungskraft. Und bei mir kamen seine Worte und Signale ganz anders an. Das war für meinen Coachee wie ein Quantensprung. Damit konnte er sehr gut weiterarbeiten.
Wenn ich ein zartes Resümee unseres Briefwechsels wagen darf, liebe Steffi, dann wäre es dies:
Bin ich als Coach in der Sitzung hellwach und verlasse mich auf meine Intuition, meine Wahrnehmung, mein Bauchgefühl und meinen inneren Dialog, der parallel abläuft, kann ich eine gute Arbeitsbeziehung zur/zum Coachee herstellen.
Die gute Arbeitsbeziehung bringt mich dazu, mich in meiner Rolle als Coach gut und sicher zu fühlen. Und der Kanalwechsel, das ist gerade mein Gedanke, ist die Entscheidung, der/dem Coachee jetzt, in diesem Moment, einen tieferen Zugang zu ihren/seinen Gefühlen und Gedanken zu ermöglichen.
Was wäre Dein Resümee, Steffi?
Steffi:
Offensichtlich sind diese Kanalwechsel nicht gerade banal. Du hattest zu Beginn mal von sicherem Terrain geschrieben, auf dem man sich eben lieber bewegt.
Ich muss gerade an eine sehr wackelige Brücke denken, die man überqueren soll. Der Antrieb ist da und eine Neugier, was da auf der anderen Seite ist, gepaart mit einer Spannung und Unsicherheit. Da ist eine dargebotene Handreichung oft hilfreich.
Und wenn wir mal ehrlich sind, wählen wir den neuen Kanal nicht nach Lust und Laune, sondern auf ein Signal hin (das ist bei mir oft ein Ausdruck, den der Coachee gewählt hat, z.B. „Das schlägt mir auf den Magen.“), denn unser Coachee ist auch neugierig und möchte im Grunde auch wissen, was da ist. Dann geben wir auf dem neuen Weg zumindest für den Anfang eine Sicherheit (ermutigen und ermächtigen ist ja auch der Job des Coaches), um schließlich auch allein balancieren zu lassen.
Beim nächsten Mal ist es dann leichter, weil man es ja schon einmal geschafft hat. Ich habe dann meist auch ein warmes Gefühl in mir, wenn ich erlebe, dass der Coachee beim nächsten Mal den Kanalwechsel selbst initiiert.
Und jetzt liebe Meike, auf welchen Kanal wollen wir wechseln?
Eine Umarmung wäre jetzt wirklich schön, liebe Steffi. Also – fühl Dich gedrückt.
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